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Lebenslinien und Corona

Johanna Seeck - 102 Jahre alt

Corona bremste auch mein Projekt Lebenslinien von einem Tag auf den anderen aus. Nichts geht mehr: Dürfen selbst die Verwandten ihre Liebsten im Pflegeheim Hof am Teich des Arbeiter-Samariter-Bund Regionalverband Barnim e. V. nicht besuchen, gilt dies umso mehr für einen Fotografen wie mich. Noch weiß keiner zu sagen, wie lange diese Zugangsbeschränkung aufrecht erhalten werden muss. Ein Grund mehr, allen Bewohnern und nicht zuletzt allen bereits Porträtierten Mut und Kraft zuzusprechen, diese Tage gut zu überstehen. Und Danke zu sagen, dem Personal dieser und aller Pflegeeinrichtungen, von denen in diesen Tagen besonders viel abverlangt wird an Hingabe und Einsatzbereitschaft.

Lange hatte ich gezögert, weitere Fotos aus dem Projekt vorzustellen. Nun aber unter Corona fiel es mir leicht, in die Schatzkiste zu greifen, um ein weiteres Foto zu zeigen. Eines der schönsten und ausdrucksstärksten Porträts: das der 102-jährigen Johanna Seeck.
Teil meines Projektes ist nicht allein das Anfertigen eines technisch perfekten Fotos. Vielmehr will ich die Person möglichst authentisch zeigen – und eine Geschichte erzählen. Voraussetzung dafür ist die Kenntnis dieser Geschichte. Und so versuche ich während des mindestens 60-minütigen Fotoshootings  immer auch die Lebensgeschichte  zu erfahren, und zugleich die Emotionen zu wecken, die regelmäßig zu einem authentischen Foto führen können. Erst zu Hause am  PC verarbeite in die Informationen in einer Kurzvita.
Es waren wohl nachfolgende Sätze der in den Wirren des Ersten Weltkrieges geborenen Frau Seeck, die uns helfen können, das Ausmaß der heute zu ertragenden Einschränkungen zu relativieren und aus den Corona-Zeiten unbeschadet – ja wahrscheinlich sogar gestärkt – herauszukommen.

 

64 Jahre lang wohnte ich Berlin, erlebte hier die schwere Zeit des Krieges und die Hungersnot nach 1945. Was haben wir alles unternehmen müssen, um uns zu ernähren. Selbst Brennnesseln haben wir gesammelt, um daraus Spinat zu kochen.
Diese Zeit hat mich geprägt: Noch heute kann ich keine Scheibe Brot wegwerfen!

 

Alles Gute Ihnen, liebe Frau Seeck!

 

Wenn wir  junge Alten um die Siebzig, die dankenswerterweise keinen Krieg kennenlernen mussten, irgendwann mal um eine Kurzvita gebeten werden, ist die Corona-Krise hoffentlich Geschichte. Corona aber wäre ein markanter, prägender Zeitabschnitt unserer Lebenslinien.

Fotografiert mit Sony A7III mit Canon 50mm f/1.4  an Adapter Sigma MC-11.


Und hier noch mal der Link auf meinen ersten Beitrag zum Fotoprojekt Lebenslinien..

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